Dienstag, 27. Dezember 2011

CCTV news und Respekt in China


Kaum in China angekommen höre und sehe ich wieder spannendes: CCTV News ist ein englischsprachiger Kanal des staatlichen chinesischen Fernsehsenders CCTV. Nicht nur dass die Journalisten, drei viertel davon Chinesen, hochprofessionell in gutem, fast akzentfreien Englisch berichten, darüber hinaus ist die Berichterstattung sehr umfassend. So folgt zum Beispiel auf die neusten Entwicklungen um den Euro-Stabilitätspakt und Englands Meinung zu einem neuen Vertragswerk innerhalb der EU eine ausführliche Reportage über den EU-Beitritt Kroatiens. Zu einem hochrangigen Militäraustausch zwischen Indien und China kurz nach massivem Säbelrasseln an einer umstrittenen Grenze werden sowohl Indische wie auch Chinesische Militär- und Diplomatieexperten interviewt.

Richtig spannend wurde es aber nach der 40 minütigen Nachrichtensendung als die Sendung „Crossroads“ begann. Ein Moderator und zwei geladene Gäste sprachen über ein heisses Eisen aus der Microblogger-Szene. Im chinesischen Internet wird zur Zeit offenbar folgende Geschichte heiss diskutiert: Ein Assistenzprofessor von einer pekinger Uni wurde zu einem Gastvortrag an eine andere Uni in Peking eingeladen. Am Eingangstor erlaubte ihm der Wärter dann nicht, mit seinem Auto auf Campus zu fahren, da er keine entsprechende Bewilligung hatte. Der Assistenzprofessor twittert darauf (resp. microblogt im chinesischen Equivalent zu Twitter) was für ein unmöglicher Mensch dieser Wärter doch sei und was dieses Rumreiten auf dummen Regeln denn soll. Der Unterton offenbar klar überheblich gegenüber einem ungebildeten „Türsteher“.

Was dann passiert ist wirklich spannend: Studenten meinen, der Professor hätte ja zu fuss kommen können, oder aber durch ein anderes Tor fahren (was offenbar erlaubt wäre ohne Bewilligung). Andere kommentieren, der Prof solle sich nicht beschweren darüber, dass er im Schnee aus dem Auto steigen musste, schliesslich stehe der Wärter ja den ganzen Tag im Schnee. Die Uni-Leitung steigt in die Geschichte ein und kommuniziert, dass der Wärter ein geschätzter Angestellter der Uni sei und korrekt nach Vorschrift gehandelt habe. Und das Beste: Der Prof welcher sich beschwerte, dass ein Wärter keine Ausnahme macht für einen wichtigen geladenen Gast wie er, ist ein JUS-Professor. Kommentar auf CCTV: Er müsste doch wissen, dass die Gesetze für alle gelten müssen.

Ein zweiter spannender Kommentar zum letzten Punkt von einem der geladenen Gäste, einem Journalisten: Wenn man einmal Privilegien hat, gibt man sie nicht gerne her. Es ist immer einfach als Drittperson zu kritisieren. Aber er selber, der Journalist, habe auch schon erlebt, wie er mit einer Pressedelegation von 20 Polizeiautos eskortiert worden sei. Im Stillen habe er auch kritisiert, dass es eine Verschwendung von Staatsresourcen sei, aber ehrlich müsse er sagen, dass man sich schon wichtig fühlt und geehrt vorkommt, wenn man so eskortiert wird. Letzter Punkt finde ich besonders spannend, weil ein westlicher Journalist sich wohl eher überwacht denn geehrt fühlen würde.

Kurz, CCTV News möchte sich global ausdehnen, als Ergänzung zu CNN, BBC, Al Jazeera und Russia Today. So wie das Program im Moment aussieht, haben sie gute Chancen ernst genommen zu werden. Reinschauen lohnt sich.

Dienstag, 1. November 2011

Über die Werbung


Ich staunte nicht schlecht als ich auf der Ketchup-Flasche las: “A heart-healthy diet begins with a generous serving of ketchup in the morning”. Das war vor drei Jahren. Aber es hat sich in dem Bezug nicht viel geändert. Da wäre zum Beispiel die „Gesundheitsabteilung“ im Supermarkt wo Produkte für eine gesunde Ernährung angeboten werden: Wie wäre es mit Kellog’s Cornflakes? Zugegeben, die Cornflakes selber enthalten keinen Zucker, aber wie werden sie gegessen? In Milch und Zucker. Und selbst ohne Milch und Zucker sind sie nichts als völlig nährstoffarme Kohlenhydrate, die wohl kaum als gesund gelten können.

Doch man muss ja nicht gleich lügen, um Nahrung auf komische Art zu verkaufen. Wie wäre es mit Freilandeiern, die nicht datiert sind? Gekocht sind sie Glückssache: manche wirken ganz frisch und lassen sich auch dementsprechend gut schälen, andere haben eine ganz komische Konsistenz und das Eiweiss klebt förmlich an der Schale, wenn man die Eier zu schälen versucht. Und zwar Eier die aus der gleichen Schachtel kommen. Normalerweise würde ich ja die Marke wechseln, aber es sind die einzigen Freilandeier, zudem bedeutet mir der Satz „no hormones“ bei Eiern relativ viel.

Ebenfalls schön finde ich das Starkbier, welches zwar betont wie stark es sei, aber auf der Flasche steht nirgends, wie viel Volumenprozent Alkohol denn tatsächlich drin ist.

Kurz, hier wird den Grosskonzernen vieles erlaubt, was bei uns verboten wäre. Ganz bösartig sind die subtilen Werbungen, die mit dem philippinischen Minderwertigkeitskomplex gegenüber Europäern (die sie meist für Amerikaner halten) spielen. Als Beispiel diene die Nestlé Babymilch Werbung, wo eine weisse Mutter ihr weisses Baby mit Ersatznahrung füttert und so in etwa „Babynahrung, für rundum gesunde Babies“ auf dem Plakat steht. Nun muss man wissen, dass die Philippinos nach 300 Jahren spanischer Besatzung den Weiss-Kult völlig verinnerlicht haben. In Unmengen reiben sich vor allem Frauen sogenannte „whitening soap“ auf die Haut, von der ich gar nicht wissen will, was für Chemikalien sie der Haut alles zumutet. Wenn nun ein Plakat suggeriert, im Westen füttere man die Babies nur mit Ersatznahrung, oder gar, Ersatznahrung führe zu hellerer Haut, so grenzt das an ein Verbrechen an der Gesundheit der Babies.

Ganz allgemein im Bezug auf Werbung gibt es in den Philippinen nur ein Verkaufsargument: Preis. Alles ist immer am günstigsten. Gemäss Marketing-Theorie können Firmen sich über tieferen Preis oder „Differenzierung“ (also bessere Qualität, höhere Verfügbarkeit, etc.) von der Konkurrenz absetzen. Hier scheint es nur den Weg über den Preis zu geben. Selbst Luxusartikel verkaufen sich als „vergleichsweise günstig“.

Werbung gibt es in einem geradezu lächerlichen Ausmass. Ich habe noch nie so viel Werbung so dicht gedrängt gesehen wie hier in Manila. Was komisch ist, da Manila ja eines der tiefsten Pro-Kopf-Einkommen von allen Städten, die ich je besucht habe (und das sind viele), hat. Die mangelnde Kaufkraft der Einwohner soll wohl mit erhöhter Werbung wettgemacht werden. Das geht soweit, dass in der Hochbahn (sowas wie eine U-Bahn über Grund, von der es 3 völlig überlastete Linien gibt in Manila) am morgen akustische Werbung die Nerven der Bahnfahrer strapaziert: ein quengelndes Baby dröhnt aus den Lautsprechern und nach etwa 30 Sekunden kommt eine Stimme die sagt: „This babylaughter was brought to you by Energizer“. Ich werde nie wieder Energizer Batterien kaufen, wenn ich es irgendwie verhindern kann. Oder wie wäre es mit einer Radioeinschaltung wo der Moderator sagt: „es ist 8:30. Diese Zeitdurchsage wurde präsentiert von McDonalds. McDonalds zu jeder Zeit genau richtig“…

Grundsätzlich gibt es drei Typen von Werbung: Gesundheitszerstörer (Bier, Schnaps, Pizza, Fast-Food), Medikamente, Kreditanbieter und Jesus. Es wirkt fast wie ein Kreislauf: Zuerst zerstören sich die Leute ihre Gesundheit mit schrecklicher Ernährung (das Ausmass an Übergewicht steht den USA in fast nichts nach trotz viel tieferem Durchschnittseinkommen), dann brauchen sie Medikamente, welche die Nieren und Lebern noch weiter zerstören, und schiesslich enden sie in der Schuldenfalle worauf ihnen nur noch ein Wunder helfen kann.

Kapitalismus und Kirche, dass ist das System der Philippinen. Hier ist mein bester Beweis, dass „Freiheit und Demokratie“ nicht glücklich machen. Von der himmelschreienden Korruption in diesem Land später mehr.

Donnerstag, 29. September 2011

Luftverschmutzung und Klassengesellschaft: Die Innen- und die Aussenwelt


Wer immer sagt, die Luft in Peking sei schlecht, der war eindeutig noch nie in Manila. Was hier in den Himmel geblasen wird, das sucht wohl weltweit seinesgleichen. Besonders schlimm sind Busse, Jeepney und Motorräder. Busse, weil sie wohl aus den 60-Jahren stammen, wo offenbar noch keine Filter in die Auspuffe gemacht wurden, Motorräder, weil sie ebenfalls filterlos von Bastlern zusammengeflickt werden, und Jeepney, weil es Jeeps der US Armee sind, die in den 40er Jahren in die Philippinen kamen. Angeblich wurden die Motoren mal durch japanische Motoren ersetzt, was eine besondere Ironie trägt, weil die Amerikaner in erster Linie in die Philippinen kamen, um die Japaner zu vertreiben. Aber auch diese japanischen Motoren müssen sehr alt sein. Schwarzer Russ pufft hinten aus diesen Gefährten raus, wann immer der Fahrer aufs Gas drückt.

Die Verschmutzung ist im Vergleich zu Peking nicht nur mit Messgeräten erkennbar. Man muss nicht von Satelliten aus schauen, um die reduzierte Transparenz der Luft zu erkennen. Ich wohne im 24 Stock auf Etage 27 (weil es die Etagen 12-14 nicht gibt) und jedesmal wenn ich das Fenster öffne fliegt mir der Gestank von schlecht verbranntem Penzin in die Nase. Auf den Gehsteigen ist der Abgasgestank atemberaubend im wahrsten Sinne des Wortes. Doch am allerschlimmsten sind die Flüsse. Schwarze Brühe fliesst langsam vor sich hin, und irgend ein Gährungsprozess oder etwas führt dazu, dass sich auf der Oberfläche stets ringe bilden, als ob es regnete.  Der Gestank dieser Gewässer ist irgendwo zwischen Kloake und Schlachtabfällen anzusiedeln und übertrifft sogar noch die Abgase.

Zum allgemeinen Gestank und Dreck kommt natürlich noch die Hitze. Ausser während und kurz nach einem Taifun ist es tagsüber kaum je unter 30 Grad heiss. Während das auf dem Land recht angenehm ist, weil öfters mal ein Wind von der See her Erfrischung bringt, man sich im Schatten der Palmen ausruhen kann und die Luft auch wesentlich besser ist, bedeutet es in der Stadt, dass der Schweiss in Strömen fliesst und das Schweisstuch nach nicht allzu langer Zeit eine dunkelgraue Farbe annimmt. Kein Wunder also, dass auch die meisten Philippinos lieber gar nicht nach draussen gehen. Und dies führt zu einer Klassengesellschaft in einem Ausmass wie ich es bisher nicht kannte: Die Innen- und die Aussengesellschaft.

Die Innengesellschaft bewegt sich aus dem Gekühlten Apartment ins Auto, fährt dann in den Mall (gigantische gekühlte Hallen mit Läden, Restaurants, Kinos und sogar Kirchen drin) oder ins Büro, und Abends wieder zurück. Wie ausgeprägt dieser Lebensstil ist, wurde mir bewusst als wir für eine Studienreise in Kuala Lumpur, Malaysia, am Flughafen ankamen. Wir gingen alle nach draussen um auf den Bus zu warten. Die philippinischen Studenten in unserer Gruppe begannen sofort zu klagen, wie heiss es hier sei. Als ich meinte, es sei eher kühler als in den Philippinen antworteten sie: „Ach wirklich? Ich weiss nicht, ich gehe nicht oft nach draussen, ich mag die Hitze nicht.“

Die Aussengesellschaft kann sich solchen Luxus nicht leisten. Zu hause vermögen sie oft keine Klimaanlage und in die Malls dürfen sie nicht rein. Denn jeder Mall hat eine Eingangskontrolle, wo mit teuren Metalldetektoren gewedelt wird, man stets den Rucksack öffnen muss und dennoch das Gefühl nicht los wird, man hätte mühelos alle möglichen Bomben hineinschmuggeln können. Denn die Metalldetektoren piepsen brav, wenn sie durch Knopfdruck aktiviert werden. Das müssen sie auch, wenn der Wärter damit über meinen Laptop im Rucksack fährt. Wenn er danach aber nicht sehen will, was in diesem geschlossenen Seitenabteil meines Rucksacks drin ist, das den Detektor zum piepsen bringt, dann ist der ganze Nutzen des Detektors doch eher gering. Da Wärter grundsätzlich immer nur in ein Abteil des Rucksacks schauen, vielleicht auch weil sich meist riesige Schlangen vor den Kontrollpunkten bilden, ist der Nutzen dieser Wärter generell fragwürdig. Eine Wirkung haben sie aber: Ich habe noch nie einen der lumpig gekleideten Armen gesehen, auch nur zu versuchen an ihnen vorbei zu kommen. In den Malls gibt es die ganzen Bettler, Strassenhändler, Abfallsammler und Motorrad-Taxifahrer nicht. Sie gehören in die heisse, stickige, dreckige Aussenwelt. Die Innenwelt ist von ihnen unberührt.

Dann gibt es noch die Berufe, die draussen sein müssen, obwohl sie eigentlich eher gut bezahlt wirken. Besonders fallen mir da die Strassenpolizisten auf. Da der Verkehr ein totales Chaos ist, und Regeln absolut keine Wirkung haben, stehen die Strassenpolizisten auf Kreuzungen und regeln den Verkehr, anstatt auch nur zu versuchen, mittels Bussen langfristig einen Sinn für Verkehrsregeln unter den Verkehrsteilnehmern zu erzwingen. Da stehen sie dann, mit ihren langärmligen und langbeinigen Uniformen, in der prallen Sonne, der sengenden Hitze, im Russ und Staub. Die Strassenverkäufer, die sich zwischen den wartenden Autokolonnen vor Rotlichtern herumdrücken um Wasserflaschen oder Kleinkram zu verkaufen, haben wenigstens kurze Hosen, und können sich ein Tuch um den Mund binden. Die Polizisten sind der ganzen Harrschheit gnadenlos ausgesetzt. Die Lebenserwartung dieser Leute dürfte nicht allzu hoch sein.

Das spezielle an dieser Form der Klassengesellschaft ist, dass man sie an der Hautfarbe erkennt: Die Innenwelt ist weiss, die Aussenwelt braungebrannt. Die Innenwelt ist sauber, die Aussenwelt dreckig.

Mittwoch, 3. August 2011

Medienfreiheit das einzige Menschenrecht?

Der ehemalige russische Präsiden Wladimir Putin erhält den Quadriga-Preis für sein mutiges Engagement für eine stabile Deutsch-Russische Freundschaft, und die deutsche Intelligenzia läuft sturm, bis das Gremium beschliesst, dieses Jahr keinen Preis zu verleihen. Dieser Vorgang passt perfekt in unsere Zeit, wo Europa zunehmend selbstgerecht alles verurteilt, was nicht so ist wie Europa oder die USA. Dass Putin nach Jahren der Jelzinistischen Korruption und Stagnation es geschafft hat, Russland auf den zielstrebigen Weg nach vorne zu bringen, ist durchaus so manchen Preis wert. Dass er dafür eine gewisse Härte walten liess, ist unter gegebenen Russischen Umständen wohl unumgänglich. Und mein Mitleid mit den angeblich eingeschränkten Medienschaffenden in Russland hält sich in engen Grenzen, wenn ich an die britischen Medien denke.

Putin ist ein weiterer klarer Fall eines Regierungsystems (für welches er auch heute noch steht), welches vom regierten Volk zu grössten Teilen enorm geschätzt wird und zugleich im Westen in aller Schärfe kritisiert wird. Weshalb wird Putin so kritisiert? Angeblich geht es um Freiheit, Menschenrechte oder Demokratie. Wäre dem so, müsste Israel und Saudi Arabien täglich in grösster Empörung in unseren Medien kritisiert werden. Das einzige „Menschenrecht“, das bei uns wirklich als zentral behauptet wird, ist das Recht auf freie Presse. Der Grund dafür ist einfach: Es ist dasjenige Recht, von dem unsere Journalisten betroffen sind. Was kümmert einen Journalisten das Recht auf Nahrung? Hungernde Kinder geben Einschaltquoten, direkt betroffen ist bei uns niemand. Das Recht auf Arbeit? Journalisten haben ja ihre Anstellung. Religionsfreiheit? Äusserst selektiv: Wenn es zum Beispiel um das Recht einer Muslimin ein Kopftuch zu tragen geht, dann sind unsere selbsterklärten Verfechter der Menschenrechte auffällig still. Das einzige was unsere Journalisten wirklich kategorisch verurteilen, ist wenn sie und ihre Berufsgenossen eingeschränkt werden.

Journalisten sind auch nur Menschen, ihre Denkweise nachvollziehbar. Das Problem ist nur, dass viele Europäer glauben, unsere Medien berichteten „die Wahrheit“, da sie ja „frei“ und „neutral“ seien. Somit werden Racheberichte einzelner Journalisten plötzlich zu einer objektiv angenommenen Realität, persönliche Abneigungen führen zu politischen Spannungen weil unsere Politiker gezwungen sind, nach den Emotionalitäten der Medien zu agieren. Kein Politiker kann sich Freundschaft leisten zu jemandem, der von unseren Medien als böse eingestuft ist. In unserem Glauben an freie Medien haben gerade wir Europäer die Fähigkeit unsere Medien zu hinterfragen verloren.